arstedt, 26.2.2015
Sehr geehrte Nachbarinnen und Nachbarn,
mit diesem persönlichen Brief möchte ich Sie über einen Beschluss des Kirchenvorstands unserer Pfarrgemeinde informieren, mit dem wir einen Beitrag zur Linderung der Not der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten Syriens und des Irak leisten wollen.

Anfang des Jahres hat der Kirchenvorstand einstimmig beschlossen, eine kürzlich frei gewordene Wohnung in unserem ehemaligen Ruther Pfarrhaus - neben der Kirche gelegen - dem Landkreis Hildesheim und der Stadt Sarstedt zur Miete zwecks Unterbringung von Flüchtlingen anzubieten. Nach einem Ortstermin, an dem auch Herr Manfred Furich als Ruther Ortsbürgermeister sowie Herr Bernfried Überschär teilnahmen, hat der Landkreis dieses Angebot gern angenommen, sodass mit Wirkung zum 1. März ein Mietvertrag abgeschlossen worden ist. Die Stadt Sarstedt, in der Person von Frau Pytel-Weber als Beauftragte für Flüchtlinge und Asylsuchende, wird die Wohnung bezugsfertig einrichten. Im Verlauf des März soll die Wohnung mit maximal sechs asylsuchenden männlichen Flüchtlingen belegt werden.
Die Stadt Sarstedt hatte bereits Mitte der 1990er Jahre den weitreichenden Beschluss gefasst, sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen einerseits auf die Herkunftsländer des östlichen und südlichen Mittelmeers zu konzentrieren, andererseits eine dezentrale Unterbringung in eigens angemieteten Wohnungen in kleinen Gruppen einer zentralen Unterbringung vorzuziehen. Heute kann die Stadt Sarstedt angesichts der vielen Flüchtlinge aus eben diesen Ländern auf ein Netz an muttersprachlichen
Unterstützerinnen und Unterstützern bauen.
Die asylsuchenden Flüchtlinge werden von Frau Pytel-Weber in der Zeit des sog. Erstaufnahmeverfahrens in engem,aufsuchendem Kontakt begleitet, d.h. so lange bis eine Entscheidung über den Aufenthaltsstatus der Flüchtlinge getroffen ist. In dieser Zeit wohnen die Asylsuchenden in den von der Stadt angemieteten Wohnungen, so auch bald in Ruthe.
Sie fragen sich sicherlich, wer denn demnächst in der Nachbarschaft zu erwarten ist?
Das Wichtigste: Es werden junge Männer im Alter von etwa 20 bis 40 Jahren sein, die gerade eine für uns nicht vorstellbare Situation der Gewalt, des Krieges und einer lebensgefährlichen Flucht hinter sich haben und hier in Deutschland in einem der großen Erstaufnahmezentren (Friedland) angekommen sind. Viele der Flüchtlinge, wenn nicht alle, haben Schreckliches erlebt.
Ich bitte Sie herzlich, bei möglichen Begegnungen dieses immer im Herzen zu halten! Die Flüchtlinge sind meist gut ausgebildet,wurden von ihren Familien als Hoffnungsträger losgeschickt, und sind hoch motiviert, bei uns ein neues Leben aufzubauen, in Sicherheit und Frieden.
Aufgrund der Situation der Lebensbedrohung, der sie entkommen konnten, brauchen die Flüchtlinge in der ersten Zeit zunächst die Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen und sich in einer ganz neuen und anderen Situation einzufinden. Viele von ihnen haben bald den Wunsch, mit uns als Nachbarn in Kontakt zu kommen.
Von der Kirchengemeinde aus werden wir in enger Absprache mit Frau Pytel-Weber sowie Herrn Furich und Herrn Überschär die Neuankömmlinge begleiten. Ich möchte auch Sie einladen, mit offenem Herzen und einem Lächeln im Gesicht nichts weniger als die vielbeschworene „Kultur des Willkommens“ in Ruthe zu verbreiten.
Vielleicht haben die neuen Bewohner ja Freude am Fußball. Dann könnte der örtliche Fußballverein einfach zum Training einladen. Oder es ergeben sich andere Gelegenheiten, sich kennenzulernen. Falls jemand von Ihnen sich mit Fahrrädern auskennt: Die Stadt wird den jungen Männern einige gebrauchte Fahrräder zur Verfügung stellen. Falls hier mal etwas defekt ist oder nicht richtig läuft, könnte vielleicht jemand als Ansprechpartner fungieren.
So gibt es sicher noch viele, nicht entdeckte Möglichkeiten, sich selbst einzubringen und unser Land von seiner besten Seite zu zeigen: offen, voll Mitgefühl für die Heimatlosen, hilfsbereit und friedlich. Warum sonst setzen so viele Flüchtlinge so große Hoffnungen auf eine neue Zukunft bei uns?
Wenn Sie Fragen, Anregungen, aber auch Sorgen haben, bitte ich sie, sich direkt und vertrauensvoll an mich zu wenden. Über weitere Entwicklungen halte ich Sie gern auf dem Laufenden. Bitte geben Sie die Informationen dieses Briefes auch an Ihre Freunde und andere Ruther Mitbürgerinnen und Mitbürger weiter.
Mit freundlichen Grüßen,


Harald Volkwein, Pfarrer